Es war ein mutiger Entschluss, zu einem Konzert einzuladen, das nur aus Liedern des Gesangbuchs bestand. Wen würde das interessieren? Die Gottesdienstbesucher kennen sie doch. Und ob sich die Musikfreunde auf die alten Choräle einließen?

Ich war deshalb überrascht, als ich kurz vor Beginn die Kirche schön voll vorfand. Natürlich zog der Name Hebold, wissen doch viele, dass er an den Festen immer etwas Besonderes hervorbringt. Diesmal nahm er uns mit auf eine Reise durch das ganze Jahr, genauer: das Kirchenjahr vom ersten Advent bis zum Ewigkeitssonntag. Unser Orgelmeister hatte dazu zwei weitere Könner gewonnen, den Vorkämpfer für moderne Kirchenmusik Rolf Tischer mit seinem Saxophon und den Schlagzeuger Christoph Meister.

Und nun kam meine zweite Überraschung: wie die Drei die vorwiegend alten Melodien zu neuem Leben erweckten! Jeder der 14 Choräle wurde aus seiner Urfassung ehrfürchtig herausgelöst und in moderne Tonsprache übertragen. Bei der raschen Abfolge konnte gar keine Ermüdung aufkommen. Denn jedes Lied bekam seinen eigenen Charakter. Da wechselten rockig-poppige Klänge mit innigem Blues und fetzigen Jazz-Akkorden, und unser „Kantor“ mischte außer an der Orgel und einem Keyboard auch noch mit seiner Stimme mit, so dass man die einzelnen Lieder erkennen konnte. Und noch eine Überraschung: Das Ganze war nicht nur zu hören, sondern dank raffinierter Technik auch noch zu sehen. Wie sich die Drei verstanden und mit ihren Instrumenten abwechselten!

Mancher wird vielleicht eines der vertrauten Weihnachtslieder vermisst haben. Ich fand gerade die Kombination des uralten Hymnus „Nun komm, der Heiden Heiland“ im Rockstil mit dem modernen Lied „Stern über Bethlehem“ als Popsong reizvoll. Und wie das alte Gebet „O komm, du Geist der Wahrheit“ mit dem neuen Text von Gerhard Schöne verbunden war. Und dann kamen sie doch alle: „Geh aus, mein Herz“ und „Wir pflügen und wir streuen“, „Ein feste Burg“ als Blues und „Lobe den Herren“ mit der stürmischen Bach-Toccata.

Mir zeigte dieses moderne Arrangement, welche Kraft in den alten Texten und Melodien steckt, wenn sie so neu begriffen werden. Als unser Weg durch das Kirchenjahr mit dem berührenden Segenslied „Bewahre uns, Gott“ zum Ziel gekommen war, gab es lang anhaltenden Beifall. Danke und weiter so, lieber Kantor! Und bald mit neuen Klangfarben auf Ihrer Orgel!

Claus-Jürgen Wizisla